diese seite wurde für die darstellung mit netscape communicator 4 oder ms internet explorer 4 mit aktivierter javascript-unterstützung optimiert.
b.o.f.h.
 
  bastard operator from hell  


Sehr geschätzter VIP-Kunde ...

"Haben sie die Notiz dieser Software-Leute gelesen?" fragt der Chef und deutet auf ein Blatt Papier auf meinem Schreibtisch.
 
"Sie liegt in meiner Ablage. Ich kam noch nicht dazu, sie zu lesen."
 
"Sie liegt auf ihrem SCHREIBTISCH!"
 
"Stimmt, und mein Schreibtisch ist meine Ablage."
 
>Seufz<
 
"Könnten sie sie nun lesen?"
 
"Natürlich."
 
"JETZT, bitte?"
 
"Eilt es denn?"
 
"Es eilte nicht vor zwei Wochen, als ich sie ... auf ihren ... in ihre Ablage legte, aber jetzt ist es eilig."
 
"Wieso?"
 
"Weil es sich um ein Sonderangebot handelt, das nur noch heute gilt, und sie mich eben angerufen haben. Sie wollen sich in zehn Minuten noch einmal melden."
 
"Ach wirklich. Dann lassen sie uns darüber reden, während wir zurück in ihr Büro gehen, um auf den Anruf zu warten ... Blablabla, Geheimwaffen, blablabla, deutsche Spione, blabla."
 
"Was zur Hölle lesen sie da?" will der Chef wissen und reißt mir das Schreiben aus der Hand. "Geheimwaffen!?"
 
"Das sage ich nur zu mir selbst, wenn ich mich durch schleimerische Briefe kämpfe", meine ich und hole ihn die Seiten zurück.
 
"Was soll das bedeuten?"
 
"Das bedeutet, daß sie uns übervorteilen wollen."
 
"Was? Sie haben doch noch gar nicht den gesamten Brief gelesen - er besteht aus mehr als einer Seite!"
 
"Ja, aber er beginnt mit ´Sehr geschätzter VIP-Kunde´. Da hätten sie hätten auch gleich sagen können ´Bitte ziehen sie die Hosen herunter und beugen sie sich dort bei dem übergroßen Preßlufthammer über den Tisch´."
 
"Das sind aber unsere Software-Lieferanten, und das ist nur die Benachrichtigung zur Vertragsverlängerung."
 
"Das wird sie erst noch zeigen", sage ich und nehme mir die nächste Seite vor. "Blablabla, königlicher Betrug."
 
"Wo?"
 
"Da", antworte ich und zeige auf die letzte Seite der Rechnung für die Vertragsverlängerung.
 
"Das ist doch nur eine Rechnung!"
 
"Ja, aber sehen sie die kleinen Kästchen zum Ankreuzen der Produkte, für die der Vertrag verlängert werden soll, und die größeren Kästchen zum Eintragen der Anzahl der genutzten Lizenzen?"
 
"Ja."
 
"Und sind all diese Kästchen leer?"
 
"Ja."
 
"Und wie werden sie wohl ausgefüllt?"
 
"Ich denke, daß ich das mache."
 
"Wie?"
 
"Ich mache Kreuze und schreibe Zahlen in die Kästchen."
 
"Welche Kreuze und welche Zahlen?" frage ich.
 
"DAS WEISS ICH DOCH NICHT!" ruft der Chef, den meine Fragen zu stören scheinen.
 
"Und genau darum geht es. Wir BENUTZEN gar keines der aufgeführten Programme, und so könnte es passieren, daß sie plötzlich Zahlungen für die Pflege eines Programms veranlassen, das wir gar nicht haben. Noch wichtiger ist, daß sie nach ... ich weiß nicht ... sagen wir drei Jahren, in denen wir für das Programm zahlten, kommen können und uns eine ganz neue Version aufschwatzen, die wir dann wieder bezahlen, weil wir ja schon für die alte Version zahlten, sie also irgendwo benutzen müssen. Am schönsten ist aber die Frage nach der Zahl der Lizenzen. Wir sind ein sehr geschätzter VIP-Kunde ..."
 
"Was soll das heißen?"
 
"Das bedeutet, daß die Leute glauben, wir sind verrückt und hätten haufenweise Geld zu verschenken. Wenn wir ein so geschätzter Kunde wären, müßten die sich doch an die Anzahl der Lizenzen ERINNERN, die wir haben. Und dann hätten sie das schon in die Rechnung schreiben können."
 
"Also wollen sie ...?"
 
"Die wollen von uns, daß wir entweder irrtümlicherweise die Rechnung selbst mit Zahlen ausfüllen, die zu hoch sind, damit sie mehr an uns verdienen. Oder aber hoffen sie darauf, daß wir zu niedrige Zahlen angeben, so daß sie dann in ein paar Monaten kommen können und sagen, sie hätten bei einer Routine-Überprüfung herausgefunden, daß wir mehr Kopien einsetzen als angegeben und da die Zeit bis zum Verfall einer Lizenz schon abgelaufen sei, müßten wir eben neue zu überzogenen Preisen erwerben. ´Was noch immer billiger wäre als die Einschaltung der Rechtsvertreter unserer beiden Firmen´ ..."
 
"Wie viele Lizenzen nutzen wir denn?"
 
"Wer weiß? Je größer die Firma ist, desto ungewisser ist die Anzahl der benutzten Lizenzen. Wenn diese Zahl völlig unbekannt ist, wird man ein geschätzter VIP-Kunde."
 
"Und was tun wir jetzt?"
 
"Sie könnten von Raum zu Raum gehen und Lizenzen zählen."
 
"Ich glaube nic ..."
 
"Oder wir installieren ein Programm auf jedem Rechner, das nachschaut, welche Programme benutzt werden - doch damit würden wir Datenschützer aufregen, die glauben würden, wir wollten sie ausspionieren."
 
"Ic ..."
 
"Oder sie überlassen es mir, mit den Lieferanten zu sprechen wenn sie anrufen."
 
"Ab ... weshalb soll ich nicht mit ihnen reden?"
 
"Weil die sie verwirren werden und sie sich 100 Lizenzen von allem andrehen lassen werden."
 
"Ich glaube nicht, daß ich so ..."
 
"Also glauben sie, daß sie in der Lage sind, mit denen zu sprechen ohne auszurasten?"
 
"Ja, ich bin nicht ..."
 
"Und technische Fachbegriffe werden sie nicht überfordern?"
 
"Nein, ich den ..."
 
"Selbst wenn sie ihnen verwirrende Sparmodelle anbieten werden, die am Ende ebenso teuer sein werden wie das jetzige Angebot?"
 
"Ja, ich ..."
 
"Selbst wenn sie keinen einzigen Satz beenden oder eine Frage stellen können, weil sie sie unterbrechen werden?"
 
"ICH KANN MIT DENEN VERHANDELN!!!"
 
"Und damit ist das Plädoyer der Anklage abgeschlossen, euer Ehren", murmelt der PJ.
 
Und so wird entschieden, daß ich das Gespräch führen werde - keinen Augenblick zu früh ...
 
>Klingeling<
 
"Hallo, Simon hier. Ja, der ist da, aber ich kümmere mich um die Lizenzverlängerungen ... Uh huh ... Mmm Mmmm ... Ja ... Nun, wie wäre es, wenn sie uns die Zahl der Lizenzen mitteilen, die sie uns verkauft haben - das muß doch in einer Datenbank bei ihnen gespeichert sein ...
 
... was, sie wissen es nicht? In diesem Fall benutzen wir keines ihrer Produkte mehr ...
 
... oh, sie glauben, eine ´historische´ Dokumentation unserer Lizenzkaäufe gefunden zu haben ... Hm-mmm ...
 
Ich denke, wir beide wissen, daß diese Zahlen leicht übertrieben sind ... hmmm ...
 
Ich glaube noch immer, daß das ein Fall für unsere Rechtsvertreter ist, wenn wir herausfinden, daß sie für Lizenzen Geld bekamen, die wir gar nicht ... Was, ein ´Datenbank-Fehler´? ... Ja, das ist eine realistischere Zahl ...
 
Trotzdem glaube ich, daß sowas auch früher schon passiert sein könnte, wenn es eben geschah - womit unsere Anwälte sich ... eine Gutschrift? Ja, das klingt gut ... Ja, CASH. Wie bei Johnny ...
 
Und wenn sie mir noch in der E-Mail mit der Rechnung die Dokumentation schicken könnten ... Bis bald."
 
"Wie ist es gelaufen?" fragt der Chef.
 
"Sie schicken uns eine korrigierte Lizenzabrechnung und verringern unsere Wartungspauschale."
 
"Sagten sie nicht etwas von einer Gutschrift?" will er wissen.
 
"Nein."
 
"Ich bin sicher, daß sie davon sprachen?"
 
"Ich bitte sie! Würde ich einen überaus geschätzten VIP-Chef wie sie beschwindeln?"


 
b.o.f.h.

© Simon Travaglia, 13.04.2006, Übersetzung: thomas w., 2006.